Das Kreismotiv – von der Grafik zum Objekt

Katrin Draxl

Im Jahr 1965 übernimmt Philipp an der Akademie für Angewandte Kunst die Assistentenstelle bei Herbert Tasquil, der Bildnerische Erziehung lehrt. Von 1967 bis 1975 unterrichtet sie als Vertragslehrerin in Tasquils Meisterklasse Malerei, Grafik, Bildhauerei und Medien. Ihr inhaltlicher Schwerpunkt gilt der seriellen und plastischen Formentwicklung und der seriellen Programmierung. Sie lehrt damit bereits als Achtundzwanzigjährige jene künstlerischen Strategien, die sie gerade erst für sich selbst entdeckt hat.
Im Jahr 1969 und zu Beginn der siebziger Jahre wendet sich Philipp wieder dem Siebdruck zu. Motivisch löst der Kreis das Quadrat ab, der Kreisraster das Schachbrettmuster. In mit Gouache händisch nachbearbeiteten Siebdrucken hebt Philipp einzelne Kreissegmente, -ele­mente oder auch die Negativform zwischen den Kreisen hervor, wobei jeweils mehrere Blätter Reihen mit unterschiedlichen Variationen bilden. Analog zur Verwendung des Spiegels als reflektierenden Hinter­grund für ihre frühen kinetischen Objekte setzt Philipp auch silbern reflektierenden Karton als Grundlage für den Siebdruck ein. Ab 1970 entsteht eine vielteilige Sieb­druckreihe, in der Philipp die einzelnen Ringe aus einem inneren und einem äußeren Ring in verschiedenen Farben zusammensetzte. Jeweils eine der Ringfarben nimmt an Stärke zur Mitte hin kontinuierlich zu, die zweite proportional dazu ab, sodass der optische Effekt einer Wölbung des Blattes entsteht. Dabei verwendet sie neben den unbunten Farbkombinationen starke Farbkontraste wie Rot-Grün und variiert auch die Farbe des Hintergrunds von Weiß über Grau und Schwarz zu Braun.
Bemerkenswert hinsichtlich der Entwicklung von Philipps Formensprache ist die integrierende Synthese bereits vorhandener Elemente mit neuen Motiven und Prinzipien. Philipp behält die strukturelle Gliederung der gesamten Bildfläche in ihren Siebdrucken bei. Das neue Motiv, der Kreis oder der Ring, dient gleichzeitig der Konstruktion des Bildrasters und als eigenständiges Grundelement. Optische Bewegung wird nun nicht mehr mittels Verzerrung des Rasters, sondern auf der Ebene des Grundelementes erzeugt.
Ihre Strategie der Transformation eines Themas von einem Medium in ein anderes weiter verfolgend setzt Philipp das Prinzip der miteinander verbundenen Kreise ihrer Siebdrucke ins Dreidimensionale um. Im Jahr 1970 konzipiert sie eine Sitz­gruppe, die sich aus zwei Elementen zusammensetzt: der positiven Form des Kreises und der negativen Form des Raumes zwischen vier Kreisen. Damit folgt sie einem Anspruch, den Victor Vasarely und viele andere Künstler, die sich dem Konkreten und der Op Art verpflichtet fühlten, im großen Stil durchzusetzen versuchten: der Industrialisierung und damit der Demokratisierung der neuen Formensprache und deren Erhebung zum allgemeinen Stil.
Zwei weitere wesentliche Elemente dieser Siebdrucke, nämlich die aus aneinander gereihten Kreissegmenten bestehende mäanderartige Linie und der reflektierende Hintergrund, sind in Philipps großformatigen Objekten wiederzufinden. Im Sommer 1972 wurde im Stadtpark zum 17. Mal die vom Kulturamt der Stadt Wien organisierte „Grüne Galerie“ eröffnet. Die Künstlerin zeigt ein aus achtzehn mal sechs Autoreifenschläuchen zusammenmontiertes Objekt, das im Wienfluss schwimmt. Die teilweise mit rosa Farbe bemalten Autoreifenschläuche bilden eine mäanderartige Linie, die spiegelnde Wasseroberfläche des Wienflusses dient als reflektierender Hintergrund. Philipp transponiert den Ringraster damit von der vertikalen Ebene der Schauwand in die horizontale, die dem Betrachter Aufsicht ermöglicht. Zu Beginn des Jahres 1974 kommen in der Neuen Galerie am Landesmuseum Joan­neum in Graz noch einmal Autoreifenschläuche zum Einsatz. Diesmal werden sie von der Decke hängend installiert und verweisen mit der real entstehenden Wöl­bung auf die optische Wölbung des Siebdruckes. Philipp ist sich im Einsatz ihrer Mittel so sicher, dass sie problemlos alle in der Fläche eingeführten Prinzipien ins Objekt übersetzen kann.
Der Kreis als neues Motiv findet nicht nur Eingang in Philipps Grafik, sondern auch in ihre kinetischen Objekte. In der von ihr als Objekt 70033 bezeichneten Arbeit verwendet sie fünf große Plexiglasscheiben, die mit einem zarten, weißen Ringraster versehen sind. Bestimmte, nach einem festgelegten Schema ausgewählte Kreise betont Philipp durch manuelle Nachbearbeitung. Sie erzielt dadurch ein komplexes Ringmuster, das sich in der Frontalansicht als kurvige Struktur präsentiert, welche sich entsprechend der Standortänderung des Betrachters verzerrt. Durch den Einsatz einer reflektierenden Metallplatte als Rückseite des Objekts erweitert Philipp zum einen den Bildraum, zum anderen erhöht sie so die Tiefen­wirkung der Ringstruktur.
Auch im Sommer 1973 ist Philipp wieder an der Ausstellung „Grüne Galerie“ im Wiener Stadtpark beteiligt, diesmal mit einem Objekt aus Aluminium mit dem Titel „Serielle Struktur“. Der Ringraster besteht bei dieser Arbeit aus dreizehn mal dreizehn Ringen, die zur Mitte hin zunehmend in den Raum wachsen. Die Be­tonung des Zentrums erfolgt nun nicht wie im Siebdruck durch stärkere farbige Ringe, sondern durch ein stetiges in den Raum Vordringen der Ringe, die dadurch Röhrencharakter bekommen. Während des Zeitraums der Ausstellung wächst in den Zwischenräumen des auf einem Sockel platzierten Objektes Gras, womit Philipp wiederum den Aspekt Zeit in ihr Objekt integriert.
Für dieses Objekt überlegt sich die Künstlerin bereits im Vorfeld eine andere Art der Nutzung, nämlich die eines Spielobjektes für Kinder. Eine Grafik mit demselben Grundraster in den Farben Blau, Violett und Rot konnte als Farbvorschlag für dieses Spielobjekt identifiziert werden, das allerdings nicht ausgeführt wurde.

 

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